Refinanzierungslücke erreicht 2026 ihren Höhepunkt


    • Betroffen sind vor allem Büro- und Einzelhandelskredite

  • Expertenpanel: Kreditnehmer sollten Prolongation ein Jahr im Voraus angehen

  • Kreditprolongationen werden langwierig, seltener und tendenziell in geringerer Höhe
    bewilligt



  • Berlin, 11. September 2024 – Anschlussfinanzierungen gehören zu den drängendsten
    Problemen der Immobilienwirtschaft jetzt und in den nächsten Jahren: Viele
    Immobilienunternehmen haben sich in der Niedrigzinsära langfristig mit günstigen Krediten
    versorgt, die sukzessive auslaufen und refinanziert werden müssen. In den Jahren des
    Immobilienbooms wäre das im Normalfall kein Problem gewesen. Doch mittlerweile habe sich
    die Bedingungen für Anschlussfinanzierungen wesentlich verschlechtert.

    Sinkende LTVs und Immobilienwerte lassen Anschlusskredite schrumpfen

    Wie sich das konkret bemerkbar macht, erklärte Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research
    & Strategy der HIH Invest sowie Professor für Finanzwirtschaft und Immobilienökonomie an
    der Steinbeis Hochschule, bei einem von RUECKERCONSULT organisierten Online-Panel an
    einer Beispielrechnung: Ein solventer Bestandshalter hat 2020 eine Büroimmobilie im Wert
    von 100 Mio. Euro mit 65 Prozent Beleihungsauslauf finanziert. Er hat also 65 Mio. Euro
    Bankkredit bekommen. Würde er dieselbe Büroimmobilie heute finanzieren, wäre sie nach
    einer Preiskorrektur von 20 Prozent nur noch 80 Mio. Euro wert. Akzeptiert die Bank dann
    auch nur noch 55 Prozent LTV, erhält der Bestandshalter nicht mehr 65 Mio. Euro, sondern
    nur noch einen Bankkredit über 44 Mio. Euro. Die Differenz von 21 Mio. Euro muss durch
    zusätzliches Eigenkapital aufgebracht werden. Aber zum einen ist Eigenkapital eine begrenzte Ressource, zum anderen sinkt dadurch die Eigenkapitalrendite weiter ab. Verfügt der Bestandshalter – oder auch der Mieter – über keine gute Bonität, ist die Immobilie technisch veraltet oder befindet sich in einer ungünstigen Lage, verschlechtert dies die Chancen für eine Anschlussfinanzierung. Im schlimmsten Fall bekommt der Bestandshalter
    Zahlungsschwierigkeiten oder wird sogar insolvent.

    Hinzu kommen die Zinskosten, die sich ungefähr verdrei- bis -vierfacht haben. Für Core-Objekte werden aktuell 3,5 bis 4,0 Prozent Zinsen bei einer Refinanzierung fällig, für Non-Core eher 4,5 bis 5,0 Prozent. In vielen Fällen reichen die Mieteinnahmen nicht mehr aus, um die Fremdkapitalkosten zu decken. Dabei wird sich die Zinsumgebung nicht wesentlich verbessern. Von der EZB sind weitere, aber nur kleinschrittige Zinssenkungen zu erwarten. Auch die langfristigen Swapsätze werden eher stabil bleiben und nicht stark sinken.

    Refinanzierungslücke trifft Büro und Einzelhandel am stärksten

    Für den gesamten deutschen gewerblichen Investmentmarkt summiert sich die
    Refinanzierungslücke nach Schindlers Berechnung im Zeitraum 2024 bis 2028 auf ungefähr
    20 Milliarden Euro, wobei der Höhepunkt 2026 erreicht wird. Die meisten Kredite, bei denen
    die Refinanzierung problematisch wird, betreffen Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Bei
    Logistik und Wohnen fällt das Defizit dagegen relativ gering aus.

    Welche Auswirkungen diese individuellen und gesamtwirtschaftlichen Refinanzierungslücken
    haben und wie Kreditnehmer und Kreditgeber damit umgehen, darüber diskutierte Prof. Dr.
    Schindler mit weiteren drei Experten: Ingo Glaeser, Leiter Gewerbliche Immobilienkunden
    Deutschland bei der Münchener Hypothekenbank, Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG,
    und Torsten Hollstein, Geschäftsführer von CR Investment Management.

    Kreditnehmer müssen frühzeitig aktiv werden

    Um die Anschlussfinanzierung ideal vorzubereiten, sei professionelles Asset-Management
    wichtig, damit die besicherte Immobilie ertrags- und wertstabil bleibt, rät Glaeser:
    „Immobilienunternehmen sollten frühzeitig auf die Finanzierer zugehen, gerade wenn sich
    Schwierigkeiten abzeichnen.“ Fedele pflichtet ihm bei, dass Kreditnehmer mindestens ein Jahr im Voraus aktiv werden sollten, da die Kreditprüfungen erheblich mehr Zeit beanspruchten. Hinzu komme ein weiterer Effekt: Viele Banken hätten zu viele Kredite bestimmter Nutzungsarten, meist Büroimmobilien, in den Beständen und nähmen die anstehende
    Refinanzierung als Chance, sich von ihnen zu trennen. Glaeser fügt hinzu: „Wenn man
    Probleme in einer bestimmten Assetklasse im Portfolio hat, zum Beispiel im Bürobereich, dann nimmt die Neigung, in dieser Assetklasse Neugeschäft zu finanzieren, deutlich ab.“ Hollstein wies auf eine weitere Schwierigkeit hin: Gerade bei Mittelständlern seien oft mehrere
    Finanzierer involviert, auch Nachrangfinanzierer wie Kreditfonds. Bei Refinanzierungen gebe es dann oft harte Verhandlungen um die Rangposition.

    Frisches Eigenkapital muss meist von Externen kommen

    Wegen der gesunkenen Beleihungsausläufe und Immobilienwerte fordern Banken bei der
    Anschlussfinanzierung oft mehr Eigenkapital. Dieses stammt oft nicht von der ursprünglichen Quelle, sondern von externen Eigenkapitalgebern wie Private-Equity-Fonds oder Joint-Venture-Partnern. Wenn die Refinanzierung einen Fonds betrifft, legen oft die bestehenden institutionellen Investoren Eigenkapital nach. Schindler beobachtet am Markt, dass manchmal Kapital, das für Ausschüttungen vorgesehen war, einbehalten werde, um das Eigenkapital aufzufüllen. Hollstein weist darauf hin, dass Institutionelle oder Private-Equity-Fonds sich für die Eigenkapitalaufstockung genauso rechtfertigen müssen, als ob es ein komplett neues Investment wäre. „Generell stehen, anders als während der Finanzkrise, eigenkapitalstarke Akteure an der Seitenlinie, um in solche Situationen zu investieren. Allerdings ist aus Europa erheblich Geld abgeflossen, das nun nicht mehr für Refinanzierungen verfügbar ist“, so Hollstein.

    Kontrovers diskutiert das Panel die Rolle von Immobilienkreditfonds. Während sich Hollstein, Fedele und Schindler einig sind, dass auf der Makroebene die Rahmenbedingungen für Debt Funds ideal seien, zeigt sich Glaeser skeptisch: „Die höhere Verzinsung, die Kreditfonds verlangen, rechnen sich gerade in einer angespannten wirtschaftlichen Situation nicht.“ Hollstein widerspricht: „In manchen Fällen wird die Hypothekenbank komplett von einem Debt Fund abgelöst, vor allem bei Projektentwicklungen oder Value-Add-Objekten. Das Spielfeld ist weit, weil die Refinanzierungslücke sehr groß ist.“ Fedele wirft ein: „Ich sehe aktuell wenige Banken, die komplett auf Tilgung verzichten. Tilgung kostet aber Cashflow und Debt Funds können je nach Strategie auch ohne Tilgung auskommen. Hinzu kommt, dass von Fonds ausgereichte Kredite nicht unbedingt wesentlich teurer sein müssen als die von
    Hypothekenbanken.“

    Finanzierer haben wenig Interesse an Verwertungen

    Wenn Anschlussfinanzierungen scheitern, ist von beiden Seiten Kooperation gefordert, denn:
    „Alle Finanzierer versuchen, im gegenwärtigen Marktumfeld Verwertungen zu vermeiden und
    andere Lösungen zu finden. Im günstigsten Fall erreicht der Gläubiger eine Stillhaltevereinbarung mit der Bank und bietet dann eine Lösung an. Im schlechtesten Fall wird der Kredit abgewickelt“, sagt Hollstein. „Momentan passiert wenig. Das ist ein gutes Indiz, dass die Parteien tatsächlich im Dialog sind. Gleichzeitig bereitet sich der Markt auf Loan-Verkäufe vor. Denn die Kreditgeber wollen Kapazitäten für Neugeschäft schaffen“, so Fedele.

    Kommt eine Distressed-Asset-Welle auf die Immobilienbranche zu, weil immer mehr
    Anschlussfinanzierungen scheitern? Glaeser erwartet nicht so starke Ausschläge wie in den
    USA, dafür flacher und länger anhaltend. Hollstein sagt: „Ich rechne nicht mit hawaiianischen Superwellen, sondern eher mit Sylter Nordseewellen: klein, schnell und heimtückisch. Die Problematik wird uns länger erhalten bleiben.“ Auch Fedele stellt sich auf einen längeren Prozess ein. Außerdem sei auch die Insolvenzwelle bei Projektentwicklern noch nicht am Ende.

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    Pressekontakt

    Sandra Quellhorst

    Stellv. Leiterin Unternehmenskommunikation

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