Wo steht die Immobilienbranche bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes? 

  • Mehr als 50 Prozent der Umfrage-Teilnehmer besitzen kein Dekarbonisierungskonzept für ihr Immobilienportfolio
  • 73 Prozent der Befragten befürchten Wertverluste ihrer Immobilien, wenn sie entsprechende Dekarbonisierungsmaßnahmen unterlassen
  • Volkswirtschaftliche Herausforderungen bremsen Klima-Investitionen
  • Verbrauchsdaten sind essenziell, um den tatsächlichen Energiebedarf und damit den CO2-Ausstoß zu ermitteln
  • Immobilienwirtschaft steckt bei KI noch in den Kinderschuhen

Berlin, 6. März 2025 – Immobilienbestandshalter stehen unter Druck, den Gebäudebestand bis 2050 emissionsfrei und damit klimaneutral zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten künftig jährlich zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Immobilien saniert werden. Zurzeit sind es aber nur rund 280.000. Scheint das Ziel der Klimaneutralität damit in weite Ferne gerückt?

Auf Anregung von Rueckerconsult haben Branchengrößen im Rahmen der Online-Pressekonferenz „Alles CO2-neutral, oder was? Wo steht die Immobilienbranche bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes?“ darüber diskutiert, wie man ambitionierte Ziele, unterschiedliche Lösungsansätze und ökonomische Zwänge miteinander vereinbaren kann.

Eine von aedifion und Rueckerconsult durchgeführte Umfrage zum Thema Dekarbonisierung unter Projektentwicklern, Bestandshaltern und Finanzierern diente dabei als Diskussionsgrundlage für Iris Hagdorn, Head of Sustainability bei der HIH Invest, Alexander Roth, ESG & Operations Director bei Savills Investment Management, Dr.-Ing. Johannes Fütterer, Geschäftsführer von aedifion, und Prof. Dr. Henric Hahr, Leiter Asset Management bei Real Blue. Das Ergebnis: Mehr als 50 Prozent der Befragten besitzen kein Dekarbonisierungskonzept für ihr Immobilienportfolio; 25 Prozent mit Dekarbonisierungskonzept haben keine Kenntnis über den CO2-Ausstoß ihres Portfolios und 60 Prozent verfügen über kein Budget für den Dekarbonisierungspfad.

Politische Vorgaben treffen auf ökonomische Realität

Trotz dieses ernüchternden Ergebnisses ist Prof. Dr. Henric Hahr, Leiter Asset Management bei Real Blue, sicher, dass die Botschaft in der Branche angekommen ist: „Die Zielsetzung der Klimaneutralität in der Immobilienwirtschaft ist ganz klar vorgegeben – auch durch entsprechende Regulatorik. Die Branche setzt sich damit auch auseinander. Aber die Ziele sind vor allem vor dem

Hintergrund der aktuellen volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten sehr ambitioniert. Für große Investitionen, die schnell zu einem Ergebnis führen könnten, fehlt häufig das Kapital.“

Die Befragung durch aedifion offenbarte die Zwickmühle, in der sich viele Unternehmen sehen: 73 Prozent befürchten Wertverluste ihrer Immobilien, wenn sie entsprechende Dekarbonisierungsmaßnahmen unterlassen. Gut 29 Prozent sorgen sich vor der Entwicklung hin zu Stranded Assets und 17 Prozent befürchten sinkende Mieten durch nicht nachhaltige Gebäude. Aber: 23 Prozent sind der Ansicht, dass es gar keine Folgen für sie hat, auf Dekarbonisierungsmaßnahmen zu verzichten.

Alexander Roth, ESG & Operations Director bei Savills Investment Management, sieht in den Aussagen teilweise die Bestätigung eigener Marktbeobachtungen: „Viele Unternehmen sind durchaus engagiert und setzen sich eigene Dekarbonisierungsziele, die sich etwa an den Pariser Klimazielen orientieren. Sie erleben aber auch, dass vor allem beim Immobilienverkauf die CO2-Bilanz eines Gebäudes eine immer wichtigere Rolle spielt. Ist der CO2-Ausstoß zu hoch, kann das dazu führen, dass ein Verkauf gar nicht erst zustande kommt.“

Königsdisziplin: Verbrauchsdaten interpretieren

Die Treiber auf dem Weg zur Klimaneutralität sind damit aus Expertenperspektive zum einen regulatorische Vorgaben, zum anderen die Marktakteure selbst. Aus Sicht von Iris Hagdorn, Head of Sustainability HIH Invest, ist das dennoch eine gute Entwicklung: „Die Immobilienwirtschaft hat sich von kurzfristigen ESG-Maßnahmen einzelner Gebäude verabschiedet und entwickelt langfristige Strategien zur nachhaltigen Portfolio-Entwicklung. Das ist sinnvoller und nachhaltiger.“

Dreh- und Angelpunkt aller Effizienzansätze ist zunächst die Erfassung des Energieverbrauchs, waren sich alle Diskutanten einig. Iris Hagdorn: „Die Sammlung der Verbrauchsdaten ist enorm wichtig, um zu wissen, was an welcher Stelle in meiner Immobilie genau passiert. Erst dann kann ich entscheiden, ob ich selbst etwas verändern kann oder gegebenenfalls Expertise von außen benötige, um die Daten zu interpretieren.“

ESG-Manager Alexander Roth ist der Ansicht, dass man „bei vielen Gebäuden noch viel stärker ins Detail“ gehen müsse. Aus Erfahrung weiß er indes auch, dass bei jüngeren Gebäuden energetische Maßnahmen an der Gebäudehülle den CO2-Verbrauch nur wenig positiv beeinflussen: „Wir haben durchgerechnet, was die Dämmung von Fassaden, Wänden oder Dächern in Bezug auf Kosten/Nutzen bringen könnte. Dabei mussten wir feststellen, dass solche Maßnahmen in unserem Immobilienportfolio oftmals nur wenig zu einer besseren CO2-Bilanz beitragen würden. Entscheidender ist die Frage nach den Energieträgern und der Gebäudetechnik.“

Wärmepumpe als Brückentechnologie

Das spiegeln auch die Antworten der Befragten zum Thema Wärmepumpen wider: Zu den am häufigsten umgesetzten oder geplanten Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes (je 59 Prozent) in einer Immobilie gehören der Austausch der Heizung, die Optimierung der Betriebseffizienz und die Umstellung der Stromversorgung auf Ökostrom. Gebäudeautomation und die Installation einer Wärmepumpe wurden am seltensten genannt.

Dabei ist die Wärmepumpe für Johannes Fütterer die Technologie der Zukunft: Die Wärmepumpe als Brückentechnologie auf dem Weg zu einem Energiesystem, bei dem es nicht mehr so sehr darauf ankommt, wie viel Energie ein Gebäude verbraucht, sondern, wann es sie verbraucht. „Wir hören von unseren Kunden, dass es teurer wird, langfristig fixe Stromtarife abzuschließen. Wenn wir künftig mehr flexible Energietarife sehen, kann man diese nutzen, um zu bestimmten Zeiten den Wasserspeicher der Wärmepumpe zu füllen“ erklärt Fütterer. „So kann man günstig Energie beziehen und Preisspitzen umgehen.“

Auch ohne spezielle Tarife hat man bei Savills IM bereits die Erfahrung gemacht, dass die Umstellung von Gas oder fossiler Fernwärme auf Wärmepumpen Einsparpotenziale von mehr als 50 Prozent ermöglichen.

Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis

Umfrage-Autor Fütterer berichtete, dass knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) sich vorstellen könne, bei der Dekarbonisierung zukünftig auf die Hilfe von künstlicher Intelligenz zurückzugreifen; ein gutes Drittel stehe KI eher kritisch gegenüber. „KI muss sachgerecht angewandt werden“, ist Fütterer überzeugt. „Bei aedifion nutzen wir KI zur Interpretation der Betriebsdaten, zur optimierten Steuerung und versuchen, die irren Mengen an strukturierten Daten, die in den verschiedenen Systemen vorliegen, verfügbar zu machen. Dazu testen wir gemeinsam mit den Kunden, ob man sich mit Hilfe von KI über die Datensätze austauschen kann – etwa, wie viele Wärmepumpen es bereits im Portfolio gibt.“

Dass die Immobilienwirtschaft in Sachen KI noch in den Kinderschuhen steckt, bestätigten alle Diskussionsgäste. „Wir haben noch kein vernetztes System, sondern nur Einzellösungen, die nicht miteinander kommunizieren können, so dass man diese Daten auch nicht sinnvoll zusammenführen kann“, bestätigte Prof. Dr. Henric Hahr.

Alexander Roth wies darauf hin, dass eine der wichtigsten Fragen in Zusammenhang mit Digitalisierung und KI, die technischen Grundvoraussetzungen seien. „Wir müssen uns fragen, wie digital unsere technischen Anlagen sind. Sind sie individuell steuerbar, so dass ich einen Raum kühlen und den anderen heizen kann? Oder kann ich nur eine Etage heizen oder kühlen? Um tatsächlichen Mehrwert schaffen zu können, muss in den meisten Fällen zunächst das Gebäude mit entsprechend smarter Gebäudetechnik nachgerüstet werden.“

Über aedifion

Als Kölner PropTech mit rund 90 Mitarbeitenden betreibt aedifion Deutschlands führende Softwarelösung für die Optimierung des Gebäudebetriebs. Dreh- und Angelpunkt dieser Technologie ist die KI-basierte Cloud-Plattform, mit der Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Betriebskosten von Gebäuden um bis zu 40 Prozent gesenkt werden können. Die Plug-and-Play-Lösung sammelt Echtzeit-Betriebsdaten, identifiziert Fehlfunktionen und gibt klare Handlungsempfehlungen für die Betriebsoptimierung. Das Unternehmen vereint ingenieurstechnisches Fachwissen in einem breiten Lösungsportfolio und richtet sich an Asset Manager und Asset Owner, die den Wert ihrer Gebäude steigern und ihr Portfolio schnell und einfach ESG-konform gestalten wollen.

Über die HIH Invest Real Estate

Die HIH Invest Real Estate (HIH Invest) ist einer der führenden Investmentmanager für Immobilien und Infrastruktur in Deutschland und in Europa. Wir finden, entwickeln und steuern Immobilien und Investments mit zukunftsgerichtetem Blick im Sinne unserer Kunden. Die jahrzehntelange Erfahrung, die Nähe zu Immobilienmärkten und die enge Vernetzung ermöglichen es uns, Immobilienchancen aufzudecken und in der richtigen Marktphase schnell umzusetzen.

Rund 280 institutionelle Kunden vertrauen der HIH Invest ihre Kapitalanlagen an. Ihnen stehen unsere Spezialisten aus den Bereichen Strukturierung, Produktentwicklung, Immobilienmanagement und Infrastruktur/Erneuerbare Energien zur Verfügung, um für sie passende Investmentlösungen zu entwickeln.

Die HIH Invest ist an acht Standorten europaweit vertreten. Als Teil der HIH-Gruppe decken wir die Wertschöpfungskette einer Investition vollständig mit eigenen Kapazitäten ab. Das frühzeitige Erkennen von Marktveränderungen, die Umsetzung von regulatorischen Anforderungen und zukunftsgerichtetes digitales Management sind Teil unserer Unternehmensphilosophie.

Aktuell werden Assets mit einem Volumen von 22,8 Milliarden Euro verwaltet.

Weitere Informationen finden Sie im Internet: www.hih-invest.de

Über Real Blue

Real Blue steht für nachhaltige Immobilieninvestments und versteht sich als Partner von institutionellen Anlegern, Projektentwicklern, Bestandshaltern und als Anbieter von maßgeschneiderten Individuallösungen für weitere Kundengruppen. Das aktive, ganzheitliche und nachhaltige Asset Management ist zentraler Anker des Handelns.

Die hohe eigene Wertschöpfungstiefe unter Einbezug der Expertise von Drees & Sommer sowie die Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern ermöglicht die Umsetzung von zielgerichteten Objekt-

sowie Portfoliostrategien in einer großen Bandbreite von Immobiliensektoren und in unterschiedlichen Investmentstrukturen.

Die globalen Herausforderungen aus dem Klimawandel stellen komplexe Anforderungen an den Gebäudesektor und erfordern eine hohe technische Expertise und Lösungskompetenz. Real Blue verfügt über die notwendige operative Umsetzungskompetenz in allen Phasen des Immobilienlebenszyklus.

Die Kapitalverwaltungsgesellschaft entwickelt für ihre Kunden maßgeschneiderte Investmentlösungen.

Real Blue wurde 2021 als Tochtergesellschaft der Drees & Sommer Gruppe gegründet.

Über Savills Investment Management

  • Savills Investment Management ist ein internationaler Immobilien-Investmentmanager mit Büros in Amsterdam, Frankfurt, Hamburg, Kattowitz, London, Luxemburg, Madrid, Mailand, München, Paris, Singapur, Stockholm, Sydney, Tokio und Warschau.
  • Savills Investment Management verwaltet weltweit Immobilien im Wert von rund EUR 26,1 Mrd. (Stand: 30. Juni 2024).
  • Savills Investment Management bietet im Immobilienbereich umfassende Asset- und Fondsmanagement-Dienstleistungen in Form von Einzelmandaten sowie Fondslösungen für ein breites Spektrum an Investoren an, das unter anderem Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen und Family Offices umfasst. Die Bandbreite der Investmentstile reicht dabei von core bis opportunistisch.
  • Savills Investment Management ist Teil der Savills Gruppe, deren Muttergesellschaft, die Savills plc., ist ein weltweit tätiges Immobilien-Dienstleistungsunternehmen mit Börsennotierung in London.

Sandra Quellhorst

Head of Public Relations
Mail: SQuellhorst@hih.de
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